Mitte Oktober besuchten Meike Krebs-Fehrmann und Cora Gärtner, Mitarbeiterinnen der Verwaltungsstelle der Biosphärenregion Berchtesgadener Land, auf Einladung des Bayerischen Heilbäderverbands die Gemeinde Pfronten im Allgäu. Zwölf Expertinnen aus dem Bereich Natur und Gesundheit, die im Tourismus tätig sind, sowie Fachkräfte aus psychosomatischen Kliniken aus der Region hatten sich zur Schulung zum Naturgestützten Achtsamkeitstraining angemeldet. Die Inhalte wurden seit 2018 im Berchtesgadener Land im Rahmen des wissenschaftlich begleiteten Projekts „Green Care – Natur und psychische Gesundheit“ entwickelt und getestet.
Die 20 Unterrichtseinheiten der Schulung fanden an zwei Tagen fast ausschließlich im Freien statt, sowohl im Kurwald, der vom Bayerischen Heilbäderverband zertifiziert wurde, als auch im Kurpark von Pfronten. Bei herbstlichen Temperaturen erlebten die Teilnehmerinnen die Natur mit allen Sinnen: Sie schärften ihren Sehsinn, indem sie eine Farbpalette aus Naturmaterialien legten, die in den Facetten des Herbstes erstrahlte. Beim achtsamen Essen wurden Brennnesselchips frittiert und verkostet. Außerdem konnten die Kursteilnehmenden verschiedene Arten der Meditation und Yogaübungen am Baum kennenlernen. Dabei hatten sie die Gelegenheit, die Übungen nicht nur selbst zu erfahren, sondern auch gleich das eigenständige Anleiten zu erproben. Ergänzt wurden die Achtsamkeitsübungen durch theoretische Inhalte: Welche sicherheitsrelevanten Aspekte sind bei der Arbeit mit Gruppen in der Natur zu beachten? Was versteht man unter Resilienz und Selbstwirksamkeit? Und wie entstehen negative Auswirkungen von Stress?
Der Übertrag auf den Alltag ist bei allen Übungen und Inhalten besonders wichtig, denn eine achtsame Haltung stellt sich nur durch tägliches Training ein. Hierbei soll die Natur vor der eigenen Haustür genutzt werden. Abgeschiedenheit oder besondere Anforderungen an die Vielfalt des Naturraums sind für das Trainingskonzept nicht notwendig. Den Naturraum nutzen, der vor Ort verfügbar ist, lautet die Devise. Somit unterscheidet sich das Training auch von anderen Angeboten, wie z.B. dem Waldbaden. Die Mäharbeiten auf den benachbarten Wiesen und die Ausbildung der Bundeswehrhubschrauberpiloten, die ausgerechnet an diesen Tagen ihre Übungsflüge über dem Waldgebiet probten, nahmen die Teilnehmerinnen darum mit Humor. Denn Achtsamkeit bedeutet, ganz präsent im gegenwärtigen Moment zu sein und das, was man in diesem Moment vorfindet, nicht zu bewerten. Ob ein Geräusch als eine neutrale Schallwelle wahrgenommen oder als Lärm beurteilt wird, ist eine Entscheidung, die jede und jeder selbst trifft. Unangenehme Gedanken und Gefühle nicht festzuhalten, sondern vorbei ziehen zu lassen, kann innerlich frei machen.
Im Sommer 2024 hat die Zentrale Prüfstelle Prävention der Gesetzlichen Krankenversicherungen das Naturgestützte Achtsamkeitstraining als 8-Wochen-Kurs zertifiziert. Die qualifizierten Kursleiterinnen können nun nach der zweitägigen Schulung diesen Kurs für Gruppen im Präventionsbereich zur Stressreduktion anbieten. Die Gesetzlichen Krankenversicherungen bezuschussen die Teilnahme der Versicherten. Derzeit findet eine weitere Schulung in Bad Birnbach statt und auch für nächstes Jahr sind Schulungen in unterschiedlichen bayerischen Heilbädern in Kooperation geplant.
Ansprechperson für das Projekt: Meike.Krebs-Fehrmann@reg-ob.bayern.de, weitere Infos: www.biosphaerenregion-bgl.de/green-care
HINTERGRUNDINFORMATION:
UNESCO Biosphärenregion Berchtesgadener Land – Modellregion für nachhaltige Entwicklung
Die Biosphärenregion Berchtesgadener Land wurde von der UNESCO 1990 als Modellregion für nachhaltige Entwicklung anerkannt und gehört damit zu einem Weltnetz von über 750 Biosphärenreservaten. Zu den Aufgaben von Biosphärenreservaten gehört es u.a. neue Methoden zu gesellschaftlichen Herausforderungen zu erproben und Lösungsansätze zu entwickeln. Zu diesen Herausforderungen gehört auch die Zunahme an Stresserkrankungen und Depressionen, wodurch nicht nur finanzielle Belastungen im Gesundheitssystem entstehen, sondern vor allem Einschränkungen in der Lebensqualität bei den Betroffenen. Um Menschen, die etwas gegen Stresserkrankungen tun möchten, zu unterstützen, haben die Bayerischen Staatsministerien für Umwelt und Verbraucherschutz sowie für Gesundheit, Pflege und Prävention das Pilotprojekt „Green Care – Natur und psychische Gesundheit“ finanziert. Hier werden interdisziplinäre Kompetenzen zum Wohle der Allgemeinheit gebündelt.
Bayerischer Heilbäderverband e.V.
Als Dachorganisation für mehr als 70 Heilbäder, Kurorte und Kurbetriebe in Bayern vertritt der BHV einen Jahresumsatz von knapp 4,5 Milliarden Euro und sichert rund 100.000 Arbeitsplätze im ländlichen Raum. Heilbäder und Kurorte bieten perfekte Voraussetzungen für Prävention: gesundes Klima, moderne Thermenlandschaften, ortsgebundene Heilmittel und traditionelle Naturheilverfahren für Indikationen jeglicher Art und erfahrene, medizinisch therapeutische Fachkräfte. Wir bieten tragfähige und langfristige Prävention im Gesundheitswesen sowie die Erhaltung und Förderung der Gesundheits- und Kurinfrastruktur mit ihren natürlichen Heilmitteln. Der Bayerische Heilbäder-Verband engagiert sich seit Jahren für die WaldGesundheit. Er vergibt in Zusammenarbeit mit dem Kompetenzzentrum für Waldmedizin und Naturtherapie – nach dem Bayerischen Kriterienkatalog für Kurwald und Heilwald der Ludwig-Maximilians-Universität München – die Zertifikate für den Bayerischen Kurwald und Heilwald. Die neuen Kurortprädikate „Ort mit Waldkurbetrieb“ und „Waldheilbad“ anerkennen die Waldtherapie als naturbasiertes Heilmittel.
Wald tut gut und wirkt. Der Gesundheitsfaktor Wald umfasst die grüne Natur mit Waldklima, Waldästhetik, Sinnesräumen, Mikroben, Duftstoffen u.v.m. In den zertifizierten Kur- und Heilwäldern entstehen durch ausgewählte naturbasierte Interventionen, wie Achtsamkeitstraining, Sinnesübungen, Body-Mind-Methoden, Atemarbeit, sanfte Bewegungsformen und Naturverbundenheit die natürlich wirksame Waldtherapie.


